MOTOCROSS IM BLUT
Motocross im Blut
Trifft man auf einer Motorcross-Strecke oder einem Enduro-Event Rennfahrer aus der Schweiz, fällt immer der Name Andreas Steinmann. Wir hatten das Glück, den wohl wichtigsten Wegbereiter des Schweizer Offroad-Sports an seiner Schaffensstätte, der hostettler group in Sursee, persönlich zum Interview zu treffen.
Hallo Andreas, vielleicht kannst du dich am Anfang einmal kurz vorstellen?
Ich bin der Andreas Steinmann und arbeite seit Februar 1980 bei der Firma hostettler. Ich bin heute immer noch im gleichen Beruf tätig und kümmere mich um Supermoto, Enduro und Motocross. Eigentlich bin ich zwar bereits pensioniert, aber es gefällt mir immer noch sehr.
Wie siehst du deine Zukunft?
Ich bin jetzt 68 geworden und habe die Ehre, dass ich noch immer arbeiten darf. Denn das ist eigentlich nicht normal. Daher Hut ab vor der Firma, da kann ich mich beim Chef nur bedanken. Die Kunden sind auch noch immer zufrieden, das klappt also soweit und ich gebe mir Mühe wie am ersten Tag. Ich denke, ein Jahr werde ich noch dranhängen und dann schauen wir, wie es gesundheitlich aussieht. Das weiß ja niemand vorher.
Ihr habt also die Motoren und Beiwagen alle selber umgebaut?
Ja, genau. Wir haben alles selber gemacht. Außer die Gespanne, die kamen aus England. Danach habe ich dann einen Motor aus der Yamaha XR 650 gehabt. Der war auf 680-ccm-Hubraum aufgebohrt. Ein Zweizylindermotor aus der TX 750 kam später auch noch dazu.
Wie viel Leistung hatten die Motorräder damals?
Der TX-Motor hatte ziemlich genau 100 PS.
Boah!
Ja, die Maschine war sehr schnell. Die ging wie die Sau. Das war echt spitze.
Und du warst dann der Fahrer?
Ja, zusammen mit meinem Bruder. Wir sind dann 1978 erstmals auch bei internationalen Veranstaltungen gefahren. Das lief gut, sehr gut sogar. Wir sind viele Auslandsrennen gefahren: Frankreich, Österreich, Italien, Deutschland. Dann bin ich auch noch in der Weltmeisterschaft an den Start gegangen und durch halb Europa gereist. Das war sehr hart. Freitags ging es los zu den Rennen und am Montagmorgen bin ich wieder nach Hause gekommen und musste anschließend direkt zur Arbeit, um Geld zu verdienen. Damit man sich das Rennfahren überhaupt leisten kann. Und so ging das dann eine ganze Zeit. Wir haben sehr gute Leistungen gezeigt und gute Platzierungen geholt.
Man sagt ja immer, die Gespannfahrer wären so ein ganz spezielles Grüppchen. Dann sind in eurer Rennzeit bestimmt auch sehr gute Freundschaften entstanden?
Ja, sehr gute Freundschaften. Wir haben den Zelteingang nicht runtergelassen, sondern hoch. Wir haben am Abend gegrillt und Bier getrunken. Das war damals richtig gut. Heute ist das leider das Gegenteil. Da wird alles zugemacht, niemand darf sehen was der Andere gerade macht oder hat. Aber früher war das wirklich spitze. Da hat man sich auch noch gegenseitig geholfen. Richtig, das war wirklich klasse. Insgesamt bin ich 16 Jahre lang gefahren. 1986 habe ich dann aufgehört.
Zu der Zeit hast du dann schon seit 6 Jahren für hostettler gearbeitet?
Genau. In den Jahren 1988 bis 1990 war ich dann jeweils noch zwei Wochen in den USA um zu arbeiten.
Was hast du da gemacht?
Ich war Mechaniker. Ich habe alles Mögliche gemacht: Motorcross-Tests, Vorführungen und Enduro. Das war spitze, aber es war auch wirklich sehr hart. Alle anderen meinten immer zu mir, wie schön ich es doch hätte, weil ich nach Amerika kann. Aber es war sehr streng. Morgens ging es schon um 6.30 Uhr los, abends ging es bis 22 Uhr. Aber das war natürlich in einer guten Zeit, da hatte Yamaha noch viel Geld.
Wie kamst du eigentlich zu hostettler?
Durch meinen Schwager. Ich habe bis zu 40 oder 45 Rennfahrer betreut. Das habe ich 1988 in Bewegung gesetzt.
Ich fahre ja auch Enduro und Motocross. Wenn man da mal auf einen Schweizer trifft und sich unterhält, fällt auch immer dein Name. Wie wichtig ist es dir, dass es den Offroad-Bereich in der Schweiz gibt und wie siehst du da die Zukunft?
Also gut, im Jahr mache im Offroad-Bereich etwa 1,4 Millionen Euro Umsatz. Ich verkaufe Motorräder, bestelle die Ersatzteile und schaue immer, dass die Jungs genug Teile haben. Nur im Enduro- Bereich ist es schwer geworden, aber das ist denke ich überall so. Es wird viel gesperrt und man darf nicht mehr durch den Wald fahren. Außerdem können wir die neuen Enduros durch das neue EU-Gesetz gar nicht mehr verkaufen, weil es eigentlich zu gefährlich ist. Die sind ja homologiert, das heißt, sie sind plombiert und wir müssten sie aufmachen, was aber niemand darf, also auch die
Konkurrenz nicht.
Ja, genau. Das ist überall so.
Yamaha möchte die Motorräder deshalb nicht mehr so verkaufen, das ist ihnen zu gefährlich. Denn wenn doch mal etwas passiert und es dann einen Gerichtsfall gäbe, würde es wohl sehr viel Geld kosten.
Deswegen gibt bei KTM ja auch keine 125er mehr.
Genau. Das ist einfach schade, weil Yamaha eigentlich sehr schöne Enduros herstellt. Aber was will man da machen. Ich weiß nicht, wie das weiter geht und was die Zukunft bringen wird. Im Motorcross-Bereich haben wir natürlich durch Corona große Probleme gehabt. Besonders bei Veranstaltungen ist es sehr schwer. Überall sind die Regelungen anders. Dann war ich in Deutschland beim MXGP in Teutschenthal. Am Sonntag waren da 20000 Leute, das hat geklappt. Mit Schnelltests ging alles zack, zack. Das lief. Es gab Essensstände und Ausstellungen. Es war wirklich schön. Ich hoffe einfach, dass es 2022 wieder besser wird.
hostettler hat sich ja auch in Frauenfeld immer sehr engagiert.
Ja sehr, also noch einmal Hut ab vor der Firma. Wenn es hostettler nicht geben würde, dann gäbe es wohl auch sehr viele Bereiche im Schweizer Motorcross nicht mehr. Das muss man schon sagen.
hostettler unterstützt ja auch viele Yamaha-Fahrer direkt.
Ja, wir unterstützen viele Fahrer und wir haben sehr gute Fahrer. Wir haben Valentin Guillod und Arnaud Tonus unterstützt, damit sie in der Weltmeisterschaften fahren können. Tonus war 2019 Gesamtfünter in der Welmeisterschaft. Er kann wirklich Motorradfahren, aber wenn er mal stürzt ist immer etwas kaputt – Motorrad oder Körper. Das ist schade, sehr schade.
Wie wichtig ist für dich Rennsport?
Sehr wichtig. Ich bin mit dem Rennsport groß geworden und bin jetzt seit 40 Jahren jedes Wochenende auf einer Rennmaschine unterwegs gewesen. Ich wüsste gar nicht, was ich sonst machen sollte. Ich werde immer gefragt, warum ich immer noch arbeite. Aber was soll ich zu Hause machen? Ich bin jedes Wochenende mit dem Service-Bus unterwegs. Du hast ja auch einen riesigen Erfahrungsschatz. Inzwischen haben wir ja Motocross-Stützpunkte aufgebaut und ein Händlernetz etabliert. Die machen das auch richtig gut. Die Kunden können zu ihnen fahren, Teile bestellen und die Bikes werden repariert. Da haben wir gute Dinge auf die Beine gestellt.
Die Technik hat sich in den letzten 40 Jahren stark weiterentwickelt.
Wie gehst du damit um?
Ja, total. Es wird ja gerne behauptet, dass es eigentlich gar keine Neuerungen mehr geben könnte. Aber es gibt immer etwas Neues: Fahrwerk, Chassis, Bremsanlage, Motor. Überall wird weiterentwickelt. Früher waren die Motoren aggressiv, heute sind die so fein abgestimmt, dass jeder damit fahren kann. Selbst die 450er-Bikes sind richtig schön zu fahren. Außerdem lässt sich alles einstellen. Man kann etwas Leistung wegnehmen, die Drehmomentkurve anpassen. Und inzwischen läuft das sogar über das Handy. Das ist echt unglaublich. Die Hersteller haben da echte Fortschritte gemacht, das muss man schon sagen.
Ist es für dich als Technikexperte schwierig, sich immer wieder neu anzupassen? Oder freust du dich sogar auf die Neuerungen?
Du musst dich anpassen, sonst bist du nicht mehr dabei. Heute geht ja alles über die Elektronik und übers Handy. Ohne Handy bist du verloren. Wenn ich an die die Zweitakter von früher zurückdenke, die waren natürlich schon heikel. Die ganzen Einstellungen, die Abstimmung auf den Luftdruck. Heute haben sogar die 125er eine elektronisch gesteuerte Einspritzung. Wunderschön ist das. Es lässt sich halt doch immer noch etwas rausholen.
Haben Zweitakter noch Zukunft? In den letzten hört man ja vermehrt, dass die Zweitakter eigentlich schon gestorben sind.
Nein, die sind gar nicht gestorben. Zweitakter haben wieder Zukunft. Wir sind im letzten Jahr mit der 250-ccm-Zweitaktmaschine von Yama in der Lite-Klasse Weltmeister geworden. Du musst nur fahren können und fit sein. Die haben richtig Power. Dann kannst du noch ein Kit mit 300-ccm-Hubraum montieren. Die Nachfrage ist wieder da. Zweitakter sind handlich, sie sind leicht und sie sind günstig. Verglichen mit einem Viertakter kosten reparaturen am Motor nicht einmal die Hälfte.
Du hast vorhin erzählt, dass ihr früher miteinander gefeiert und euch gegenseitig geholfen habt. Wie siehst du den Rennsport und die Rennfahrer aktuell?
Das ist schon eine andere Kategorie geworden. Es gibt gute Leute,es gibt schlechte Leute, aber prinzipiell sind die Leute noch immer sehr hilfsbereit. Wir sind ja mit dem Service-Bus auch auf dem Platz und können mit Verschleißteilen helfen. Heute hat sowieso jeder zwei Motorräder, da ist es kein so großes Problem, wenn dann mal etwas kaputt geht. Früher war das nicht so. Die Zusammenarbeit ist natürlich schon etwas anders geworden. Es gibt ja mittlerweile auch viel mehr Marken. Aber der Kontakt ist eigentlich immer noch gut.
Wie hat sich die zunehmende Professionalisierung im Motocross ausgewirkt? Fehlt inzwischen ein wenig die Seele?
Das hat sich schon in eine andere Richtung entwickelt. Aber die Seele ist noch immer da. Die Leute sind motiviert und möchten mit ihren Motocross-Maschinen fahren. Jetzt mit Corona gibt es halt leider von Kanton zu Kanton unterschiedliche Regeln. Da haben die Veranstalter natürlich Angst. Ein anderes Problem ist, dass es inzwischen zu viele wilde Rennen gibt. Aber wenn du bei Lizenzrennen fahren willst, musst du halt trainieren, du musst fit sein und es kostet Geld. Da müssten wir eine andere Struktur reinbringen, aber das ist schwierig. Dafür müssten die zwei Verbände zusammenarbeiten. Wenn du fahrerisch weiterkommen möchtest, musst du im Verband fahren. Dann kannst du später in der EM und vielleicht sogar mal in der WM fahren. Aber das ist dann auch finanziell ein Problem.
Wenn du das heutige Fernsehprogramm betrachtest. Was würdest du dir anschauen? MXGP? Dakar Rally? Indoor Trial?
Die Motorcross Weltmeisterschaft. Ganz klar. Gut, bei uns ist das jetzt auch interessant. Wir haben ja schließlich zwei oder drei Fahrer in der WM. Aber mich interessiert natürlich auch immer, was die Konkurrenz macht. Wenn ich Cairoli sehe, Hut ab vor dem Mann. Er hatte eine wirklich großartige Karriere. Motocross ist mein Favorit, aber eigentlich schaue ich mir alles gerne an.
Dein Herz schlägt also für Motorcross?
Ganz klar, mein Herz schlägt für Motorcross.
Bist du traurig darüber, dass die Seitenwagen nicht mehr so im Trend sind?
Sehr. Es ist wirklich schwierig. Das größte Problem dürfte sein, dass man immer zwei Personen braucht. Ohne Beifahrer kannst du nicht fahren. Und das ist schwierig. Die Jungs heute musst du irgendwie motivieren. Es gibt ja nicht nur Motorcross, sondern auch viele andere Sachen. Das ist das Problem. Früher gab es nur Motorcross, sonst nichts. Dann hast du im Motorcross 20000 Leute gehabt. Und heute ist es schon schwierig, 4000 oder 5000 Leute an die Strecke zu locken.
In Frauenfeld ist das ja fantastisch mit den Tribünen. Das hat fast Stadioncharakter.
Das ist wirklich super. Ich staune auch immer wieder. Hut ab vor den Veranstaltern. Natürlich gibt es ein paar gute Rennen, zu denen dann auch Zuschauer kommen. Es gibt Frauenfeld und noch ein paar andere Veranstaltungen.
Wie stehst du zu Elektromotoren im Motocross? Wäre dir das egal, so lange die Leistung der Bikes stimmt?
Nein, das wäre mir nicht egal. Ich bin ein Gegner von Elektromotoren im Rennsport. Wenn ich beim Motorcross bin, da möchte ich doch etwas hören. Das ist wie bei der Formel 1. Du musst doch etwas hören, du musst das Benzin riechen. E-Motoren haben meiner Meinung nach keine Zukunft im Rennsport. Wir haben ja jetzt schon Probleme mit der Stromproduktion. Jetzt sollen im Sport auch noch Elektromotoren kommen? Das schaut doch niemand mehr an. Sechs Runden können sie fahren. Und wenn einer stürzt, können sie das Motorrad nicht aufrichten, so schwer ist das Ding. Also ich bin ein absoluter Gegner von E-Motocross.
Was war dein schönster Moment im Rennsport?
Mhm, die schönsten Momente im Rennsport waren wohl, auf dem Podest zu stehen. Natürlich auch die Freundschaften mit den Kollegen. Aber jeder auf das Podest fahren.
Aber gibt es eine Sache, wo du sagst, das werde ich nie vergessen?
Ja gut, das ist schwierig zu sagen. Wichtig ist die Freundschaft, die Kameradschaft. Das war immer super. Auch die kleinen Dinge, wenn du heute zur Rennstrecke kommst und man sich gegenseitig begrüsst.
Gibt es noch etwas, das du in deinem Leben noch erleben möchtest? Etwas, das dir noch fehlt?
Ich habe alles erlebt. Ich war überall, ich habe alles gesehen. Nein, mir fehlt nichts.
Also bist du auch rundum zufrieden?
Ja, rundum zufrieden. Ich darf noch bei der Firma arbeiten und bin gesund. Dass man gesund ist, das ist das Wichtigste. Das ist wirklich fantastisch.
Das ist doch ein gutes Schlusswort. Vielen Dank.
Ich danke dir.